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Chronotypen

Der Chronotyp ist ein Maß dafür, wo die innere Uhr eines Menschen relativ zur äußeren Uhrzeit liegt [RPZW19]. Im Volksmund sind Chronotypen als Eulen (späte Chronotypen) und Lerchen (frühe Chronotypen) bekannt.

Da Schlaf eine der offensichtlichsten, von der inneren Uhr gesteuerten Körperfunktionen ist, werden häufig Schlafphasen zur Bestimmung des Chronotyps genutzt. Alternativ kann auch die tageszeitabhängige Aufmerksamkeit betrachtet werden.

Chronotypen sind nahezu normalverteilt mit leichtem Überhang an späten Chronotypen [FLMR00].

Abbildung 1 zeigt eine Verteilung an Chronotypen unter Nutzung der Schlafphasen ohne äußeren Zwang (Wecker). Die Farben codieren die jeweiligen Chronotypen. Die Darstellung erfolgt entweder über die Schlafzeit (Uhrzeit des Einschlafens bis Uhrzeit des Aufwachens, obere Skala) oder über die Schlafmitte (zeitlicher Mittelpunkt zwischen Einschlafen und Aufwachen, untere Skala). Die Darstellung mit der Schlafmitte hat den Vorteil, dass sie unabhängig von der individuellen Schlafdauer ist. Bei der Nutzung der Schlafzeit wird einheitlich eine Schlafdauer von 8 Stunden angenommen. Der individuelle Schlafbedarf und damit die Schlafdauer ist jedoch unabhängig vom Chronotyp. Der Chronotyp definiert nur wann jemand schläft, nicht jedoch wie lange. Späte Chronotypen schlafen nicht länger als frühe, sie schlafen nur später.

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Abbildung 1: Chronotypen. Quelle: [RPZW19], bearbeitet.

Die meisten Menschen stauen während der Arbeitswoche durch die Verwendung eines Weckers ein Schlafdefizit an, welches am Wochenende durch „Überschlafen“ kompensiert wird [RPZW19]. Das bedeutet, sie schlafen dann mehr Stunden als sie normalerweise durchschnittlich pro Nacht benötigen. Je später der Chronotyp, desto stärker das wöchentliche Schlafdefizit, desto länger das Überschlafen am Wochenende [RPZW19]. Verschont sind davon nur sehr frühe Chronotypen. Diese schlafen sogar oftmals an den Wochenenden aufgrund sozialer Zwänge (z.B. Treffen mit Freunden) weniger als während der Arbeitswoche [RKJK07].

Die Abbildung 1 zeigt rechts die Verteilung von Schlafzeiten an Wochenenden. Diese beinhaltet also auch das „Überschlafen“. Zieht man den Effekt des Überschlafens ab, erhält man die Verteilung in Abbildung 1 links. Diese zeigt also die Schlafzeiten ohne äußeren Zwang und ohne vorangegangenem Schlafdefizit.

Chronotyp und Sozialer Jetlag korrelieren signifikant [WDMR06]. Daher sind späte Chronotypen mehr als alle anderen von den gesundheitlichen Folgen sozialen Jetlags betroffen [Part15]. Das liegt bei den meisten Fällen jedoch nicht am späten Chronotyp per se, sondern an den für den Chronotyp unpassenden zeitlichen äußeren Zwängen [LDFC11, PKLR18, Roen19].

Warum so verschiedene Chronotypen?

Genetik

Die innere Uhr wird von Licht und Dunkelheit gestellt. Aufgrund genetischer Unterschiede stellen sich jedoch die Uhren verschiedener Menschen bei vergleichbaren Lichtverhältnissen unterschiedlich früh oder spät ein. [Roen19]

Alter und Geschlecht

Der Chronotyp eines Menschen hängt vom Alter und vom Geschlecht ab (siehe Abb. 2), wobei Männer im Schnitt spätere Chronotypen sind als Frauen [FLMR00, RKJK07, SKAH20].

Kinder sind im Durchschnitt eher frühe Chronotypen und werden dann mit Einsetzen der Pubertät zunehmend später [FLMR00, RKPR04]. Das Maximum wird mit 21 Jahren bei Männern und 19,5 Jahren bei Frauen erreicht [RKJK07]. Dieses Maximum wird auch als biologisches Zeichen für das Ende der Pubertät verstanden [RKPR04]. Dann wird der Chronotyp im Laufe der Lebensjahre wieder früher [FLMR00, RKJK07, RKPR04].

Das Phänomen, dass Teenager und junge Erwachsene spätere Chronotypen sind, wird übrigens auch bei Tieren [HaLe12] und in vor-industriellen Kulturen [SCMM17] beobachtet. 

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Abbildung 2: Schlafmitte (Mittelpunkt zwischen Einschlafen und Aufwachen) ohne äußeren Zwang und vorangegangenen Schlafmangel. Weiß: Männer, Schwarz. Frauen Grau: Durchschnitt beider Geschlechter. Quelle: [RKJK07]

Lichtverschmutzung

Durch die Industrialisierung und die damit einhergehende Lichtverschmutzung sowie einen zunehmenden Anteil an Berufen in geschlossenen Räumen sind Verteilungen von Chronotypen heute breiter und später als bei unseren Vorfahren [RKJK07]. Während im vor-elektrischen Zeitalter Eulen (späte Chronotypen) und Lerchen (frühe Chronotypen) zwei bis fünf Stunden auseinanderlagen [SCMM17], sind es heute in urbanisierten Regionen 12 Stunden [RKJK07].

Aus dem gleichen Grund liegen Verteilungen von Chronotypen in städtischen Gegenden auch später als in ländlichen [BoPK10, CaHL14, SKAH20].

Geographische Lage

Chronotypverteilungen werden für gewöhnlich über Bevölkerungsgruppen gemacht, deren Residenz sich über Landstriche mit einer gewissen geographischen Ausdehnung erstreckt. Je nach geographischer Länge und Breite erfahren die Menschen, gemessen an der Uhrzeit, andere Sonnenzeiten (Zeiten von Sonnenauf- und untergang). Sonnenauf- und Untergang sind im Westen einer Zeitzone später als im Osten, was in spätere Chronotypen resultiert [Bori10, HEGR14, RoKM07]. Zudem variiert im Norden die Tageslänge saisonal bedingt stärker innerhalb eines Jahrs als im Süden (in der nördlichen Hemisphäre). Auch dies hat Einfluss auf die innere Uhr und damit den Chronotyp [Bori10, RoKM07] (siehe auch Jahreszeit).

Jahreszeit

Der Chronotyp unterliegt auch saisonalen Effekten: Im Winter sind die inneren Uhren der Menschen im Durchschnitt später als im Sommer [HBWC18, HBWH14, HNST18, KJMR07]. Das liegt an der verkürzten Tageslänge. Es gilt: Je länger der Sonnentag, desto früher der durchschnittliche Chronotyp [ATKP14, Bori11].

Lichthygiene
Lichthygiene

Für eine gut gestellte innere Uhr benötigt der Körper viel Tageslicht. Leider verbringen wir in unserer modernen Gesellschaft den größten Teil unserer Tage in Gebäuden, oftmals schon bedingt durch die berufliche Tätigkeit. Zudem vermindern wir die natürliche Dunkelheit durch künstliches Licht. Selbst wenn wir das Licht in der Wohnung ausschalten, nehmen wir die erhöhte künstliche Beleuchtung in Städten wahr. Beides schwächt den Zeitgeber unserer inneren Uhr. Daher sind die inneren Uhren der meisten Menschen heutzutage verspätet zum Hell-Dunkel-Wechsel. Die Folge ist ein größerer Anteil später Chronotypen. Wenige Ausnahmen, die frühen Chronotypen (Lerchen) verfrühen sich sogar durch schwache Zeitgeber. [Roen19]

Wollen wir unsere Uhr früher stellen, benötigen wir insbesondere viel Licht am Morgen. Durch Licht am Abend verspätet sich unsere innere Uhr noch weiter. [RoDM03]

Daher gilt:

  • Verbringe so viel Zeit im Freien, wie möglich.

  • Genieße insbesondere Licht am Morgen, weniger am Abend.

  • Nutze möglichst wenig künstliches Licht am Abend. Vermeide insbesondere Licht mit hohem Blauanteil (z.B. Handy, Computer).

Lerchen, also Menschen, die sehr zeitig aufwachen, können ihre innere Uhr später stellen, indem sie ebenfalls viel Zeit im Freien verbringen, jedoch eher abends viel Licht genießen statt am Morgen.

Test Chronotype
Bestimmung des Chronotyps

Der Chronotyp lässt sich durch das Messen verschiedener Biomarker bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht möglich ist,  "die" Innenzeit anzugeben, da die innere Uhr aus einer Vielzahl von Uhren besteht [RPZW19]. Man beschränkt sich üblicherweise auf diejenigen Biomarker, die Aufschluss über die "Hauptuhr", die sogenannte Masterclock im Gehirn, geben, denn diese koordiniert die Vielzahl an Körperuhren.

Ein klassischer Biomarker, auf den hier zurückgegriffen wird, ist der Dim Light Melatonin Onset (DLMO). Bei diesem wird gemessen, wann unter Dunkelheit das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet wird. Ausgehend von dieser Zeit wird der Chronotyp unter realen Lichtbedingungen abgeleitet. Für lange Zeit war das nur über einen Aufenthalt in einem abgedunkelten Labor und die Abnahme von Speichel-. Blut oder Urinproben möglich. Dank eines an der Charité in Berlin entwickelten Tests, der dem DLMO aus RNA-Aktivität ableitet,  ist dies nun auch ganz bequem von Zuhause aus möglich. Die Firma BodyClock bietet nun den ersten RNA-Heimtest für die innere Uhr an. Mit diesem kannst du deinen Chronotyp durch das Einsenden einer Haarwurzelprobe erfahren.

Ein weiterer Biomarker zur Bestimmung des Chronotyps ist die Messung von Cortisolleveln. Cortisol wird vom Körper am Morgen zum Aufwachen ausgeschüttet.

Neben dem Messen von Biomarkern werden auch Fragebögen eingesetzt. Diese liefern ebenfalls recht genaue Ergebnisse [RPZW19].  Insbesondere bei Studien, die eine hohe Probandenzahl erfordern, greift man oft auf diese zurück.

 

Ein bewährter und wissenschaftlich validierter Fragebogen ist der Munique Chronotype Questionaire (MCTQ). Dieser erfragt in 17 Fragen das Schlafverhalten an Arbeits- wie auch an freien Tagen. Dabei wird jeweils berücksichtigt

  • wann man zu Bett geht.

  • wann man das Licht ausschaltet, also bereit zum Einschlafen ist.

  • wie lange man dann noch zum Einschlafen braucht (Schlaflatenz).

  • wann man aufwacht.

  • wann man tatsächlich aufsteht.

Aus diesen Daten wird der zeitliche Mittelpunkt der natürlichen Schlafphase (ohne äußeren Zwang und Kompensationsschlaf am Wochenende) errechnet [RPZW19]. Der Mittelpunkt der natürlichen Schlafphase gehört zu den genauesten Markern der inneren Uhr [TTLC01].

 

Für Schichtarbeiter gibt es einen spezialisierten Fragebogen: MCTQShift [Them00].

Ein weiterer Fragebogen ist der Morning-Evening-Questionaire (MEQ) [HoÖs76]

Neben der Messung von Biomarkern und dem Einsatz von Fragebögen, gibt es auch die Möglichkeit, Aktivitätslevel über Aktimeter aufzeichnen. Auch diese geben Rückschluss auf den Chronotyp.

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